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Erziehung mit Bauchgefühl: Lösungen in Sekundenschnelle

Kinder brauchen Eltern, die sie sicher ins erwachsene Leben führen. Einen Weg gilt es allerdings erst zu finden. Die einen Eltern vertrauen in der Erziehung auf ihr Bauchgefühl, andere bauen auf Fachwissen und Meinung anderer. Intuition oder Verstand - was ist besser?

Das Bauchgefühlt ist in der Erziehung wichtig.
Das Bauchgefühl spielt in der Erziehung eine entscheidende Rolle. Bild: Hemera-Thinkstock

Mit einem Baby beginnt für Eltern ein aufregender neuer Lebensabschnitt voller neuer Erfahrungen. Gepflastert ist er mit vielen Fragen, die Eltern leicht verunsichern. «Warum schreit das Baby?» so lautet die Frage, die sich junge Eltern am häufigsten stellen. «Hat es wieder Hunger? Leidet es unter Blähungen? Oder ist es einfach übermüdet?» Und kaum sind die ersten Fragen beantwortet, entstehen neue: «Was mache ich, wenn mein Kind trotzt?» «Wie gewöhne ich es in der Kita ein?» «Bekommt es genug Vitamine, obwohl es kein Gemüse mag?»

Gleichgültig, um welche Frage es sich handelt: Verwandte, Freunde und andere Eltern bieten Antworten an. Licht ins Dunkel bringen sie dennoch nicht, denn die Meinungen über spezielle Erziehungsfragen gehen oft auseinander. «Auch die Ratgeber-Bücher sind sehr unterschiedlich. Sie bieten unterschiedliche Antworten auf gleiche Fragen. Das kann Eltern zusätzlich verwirren», weiss Ursula Keller, Sozialarbeiterin und Sozialpädagogische Familienbegleiterin in Zürich. Wie erfrischend ist dann der Gedanke, die guten Ratschläge von nun an zu überhören und stattdessen auf die eigene Intuition, das eigene Bauchgefühl, zu vertrauen. Oder?

Bauchgefühl: Die ersten Eingebungen sind oft die besten

Wenn das Kind im Supermarkt auf dem Boden liegt, wütend brüllt und um sich haut, erleben Eltern einen Alptraum. «Was mache ich jetzt nur?» fragt sich verzweifelt die Mutter oder verwirrt der Vater. Das verbotene Glace doch erlauben? Dem Kind gut zureden? Schimpfen und drohen? Es einfach liegen lassen und weiter gehen?

Intuition beruht auf Erfahrungen. «Das Unterbewusstsein ordnet unsere Einfälle, je nachdem wie erfolgreich sie in der Vergangenheit waren», erklärt Prof. Gerd Gigerenzer, seit 1997 Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Deshalb ist das erste Bauchgefühl, sind die ersten Eingebungen, die einem als Problemlösung in den Sinn kommen, oft besonders hilfreiche Ideen und Gedanken.

Intuition braucht Einfühlungsvermögen

Wer auf das eigene Bauchgefühl hören will, muss sich gut in sein Kind hineinversetzen können. «Eltern sollten versuchen, an den Gefühlen der Kinder dranzubleiben, sie sollten nachfragen, wie sie sich fühlen, und ihre Emotionen ernst nehmen», sagt der Psychologe Dr. Andreas Schick, Geschäftsführer des Heidelberger Präventionszentrums. Warum verhält sich das Kind, wie es sich verhält? Das ist die Frage, die an erster Stelle steht. Eltern, die hinter dem Trotz des Kindes eine grosse Portion Verzweiflung spüren, werden nicht durch harte Worte die Situation zum weiteren Eskalieren bringen.

Mut, das Bauchgefühl umzusetzen

«So ein ungezogenes Kind», verraten die Blicke der Passanten im Supermarkt. «Hier sollten die Eltern mal richtig durchgreifen.» Wer unsicher ist, fügt sich allzu leicht solch subtilem Gruppenzwang, ohne das eigene Bauchgefühl überhaupt wahrzunehmen. «Eltern sind häufig näher an einer Lösung, als sie glauben. Sie vertrauen aber nicht ihrer Intuition, ihrer Kreativität», schreibt der Autor, Familien- und Kommunikationsberater Jan-Uwe Rogge in seinem Buch «Das neue Kinder brauchen Grenzen». Sich dann auch vom eigenen Gefühl leiten zu lassen und zu ungewöhnlichen Lösungen zu stehen, braucht den Mut der Entschlossenheit.

Ohne Information geht es nicht

Das Bauchgefühl weist oft einen möglichen Weg im Umgang mit Kindern. Dennoch reicht es nicht, sich blindlings auf Intuition zu verlassen. Auch Informationen sind eine wichtige Grundlage für sinnvolle Entscheidungen. Wer nicht weiss, dass das Trotzen im Alter von eineinhalb und drei Jahren völlig normal ist, kann kaum angemessen auf ein wütendes Kleinkind reagieren. Nur Eltern, die darüber informiert sind, dass die Trotzphase ein wichtiger Entwicklungsschritt ist, bei dem das Kind sich selbst und seinen eigenen Willen entdeckt, können gelassen bleiben. Und sie können es liebevoll in den Arm nehmen, sobald sich die Wogen geglättet haben. Fachwissen schärft also das Bauchgefühl.

Informationen über die Entwicklung und Bedürfnisse von Kindern sind auch deshalb wichtig, weil Eltern oft nur wenig Erfahrung mit Kindern haben. Vor allem frisch gebackenen Eltern fehlt Routine im Alltag mit Babys. Intuition entsteht dann erst, wenn sie im Laufe der Zeit ihr Kind immer besser kennen lernen.

Bauchgefühl und Information gehören zusammen

Bauchgefühl oder Information? Gut, wenn Eltern auf beides zurückgreifen können. «Es braucht in der Erziehung wieder eine Balance von Herz und Verstand. Denn jedes Kind ist anders und Erziehung funktioniert nicht nach einem Rezept», darauf weist Jan-Uwe Rogge hin.

Oft lassen Situationen keine Zeit für langes Überlegen und Informieren. Da ist das Bauchgefühl gefragt, das spontane Handeln, die Lösung in Sekundenschnelle. Wer sich anschliessend unsicher ist, ob er richtig gehandelt hat, tut gut daran, zu reflektieren. Wie hat sich das Kind gefühlt? Was meinen andere – wie hätten sie entschieden? Auch Erziehungsratgeber können nützliche Impulse geben. Aus all diesen Anregungen lässt sich nach und nach eine eigene Meinung bilden. In einer ähnlichen Situation kann dann eine neue Strategie ausprobiert werden. So wird der Erfahrungsschatz immer grösser – und die Intuition geschärft.

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