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Monster, Dunkelheit, Trennung: Wenn Kinder Ängste entwickeln

Die Trennungsangst, die im Alter von sechs bis zwölf Monaten auftritt, gilt als eine der ersten besonders starken Ängste eines jeden Menschen. Doch Kinderängste kennen viele Gesichter – zum Beispiel die Angst vor Hunden, vor Gewittern, vor Monstern und der Nacht. Ausgelöst werden sie meist durch Entwicklungsschübe. Fürchtet sich ein Kind, sollten Eltern sein Gefühl nicht bewerten. Hilfreich ist es, mit dem Kind gemeinsam nach Strategien zu suchen, die ihm Sicherheit bieten.

Mutter tröstet verängstigtes Kind.
Trost zu spenden ist wichtig, damit das Kind weiss, dass es bei dir in Sicherheit ist. © Getty Images / fizkes

Das Wichtigste in Kürze

Jeder Mensch kennt Angst. Zwar fühlt sie sich unangenehm an, doch sie ist nützlich. Sie steigert die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit des Körpers. So hilft sie, sich vermeintlichen Gefahren zu stellen. «Angst ist ein wichtiges Warnsignal vor Bedrohungen», sagt Anja Meier, Verantwortliche Politik & Medien bei Pro Juventute. «Sie zeigt uns, dass wir aufpassen müssen.» Keine Angst – zum Beispiel vor einem Sprung in die Tiefe – zu spüren, könnte gefährlich sein.

Alter: Ab wann Kinder Ängste entwickeln

  • Schon Babys haben bereits Angst vor lauten Geräuschen oder plötzlichen Bewegungen.
  • Wenn im Alter von sechs Monaten das Fremdeln beginnt, entwickelt sich die Trennungsangst. Weil das Baby nun Gesichter erkennen und unterscheiden kann, versteht es auch, dass die Eltern weggehen können.
  • In der magischen Phase im Kleinkindalter entstehen Ängste vor Fantasiewesen.
  • Das Bedürfnis nach sozialer Sicherheit erstreckt sich im Kindesalter auf Gleichaltrige. Deshalb ist bei Kindern die Angst sehr hoch, nicht akzeptiert zu werden.
  • Prüfungsangst und Zukunftsängste spielen bei Teenagern eine grosse Rolle.

Typisch: Diese Ängste gibt es und sind vollkommen normal

Es gibt viele Situationen, in denen Babys und Kinder Angst haben: Eine fremde Person beugt sich über den Kinderwagen. Der neue Teddy lacht, wenn man ihm auf den Bauch drückt. Ein Flugzeug donnert übers Haus. Eine Taube stolziert herbei. Dass diese Situationen harmlos sind, können Kinder noch nicht wissen. Sie müssen sich erst mit der Welt vertraut machen, um zu entscheiden, ob ihnen Gefahr droht oder nicht. «Ängste gehören zum Leben und sind Teil der kindlichen Entwicklung», betont Anja Meier. «Sie verschwinden in der Regel von alleine wieder.»

Mit diesen Ängsten setzen sich Kinder beim Heranwachsen auseinander:

So erkenne ich Angst bei Kindern

Wir alle kennen die Angst. Wir wissen, wie sie sich anfühlt. Zum Beispiel in einer schwierigen Verkehrssituation oder bei Bewerbungsgesprächen. Dann werden die Hände feucht, das Herz pocht, im Kopf entsteht ein Rauschen, die Knie zittern, der Mund ist trocken und der Kopf leer. So ergeht es auch Kindern. Sie zeigen es auf vielfältige Weise:

  • Babys schreien, wenn sie Angst haben.
  • Kleinkinder verstecken sich hinter Mama oder Papa oder wollen auf den Arm.
  • Manche Kinder versuchen, angstmachende Situationen zu vermeiden: Sie sträuben sich, in die Kita, auf den Kindergeburtstag oder auf den Spielplatz zu gehen.
  • Ältere Kinder klagen vielleicht über Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen. «Für Eltern kann es schwierig sein zu erkennen, dass hinter körperlichen Symptomen eigentlich Angst steckt», so Anja Meier. «Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie Probleme in der Schule oder mit Gspändli nicht mitbekommen.»

Wann spricht man von einer Angststörung?

Angst ist ein wichtiges Gefühl, denn sie schützt vor zahllosen Gefahren. Krankhaft wird sie, sobald sie sich verselbstständigt. «Wird ein Kind von Ängsten so sehr in Beschlag genommen, dass seine normale Entwicklung bedroht ist, spricht man von einer Angststörung», erklärt der Schulpsychologische Dienst des Kantons St. Gallen. Anja Meier: «Wenn Ängste den Alltag überschatten, brauchen die betroffenen Kinder Hilfe.»

Eine Fachperson für Psychiatrie oder der Psychotherapeut kann die Diagnose aufgrund eines ausführlichen Gesprächs mit Eltern und Kind und entsprechenden Fragebögen erstellen. Psychotherapie oder Verhaltenstherapie helfen dem Kind dann, aus der Angstspirale herauszufinden. «Im Rahmen der Therapie erwirbt das Kind Strategien, wie es auf angstmachende Situationen oder Objekte reagieren und wie es seine Emotionen regulieren kann», erklärt Anja Meier.

Angst überwinden: Das hilft bei kindlichen Ängsten

5 Tipps, um die Angst zu lösen

Kinder müssen sich nicht ohnmächtig oder machtlos ausgeliefert fühlen. Diese Strategien helfen, Angst in Stärke zu verwandeln:

Bei den eigenen Erwartungen ansetzen:

Du bist enttäuscht, wenn sich dein Kind nicht traut, die Zeitschrift am Kiosk allein zu kaufen oder die Schwimmprüfung fürs Seepferdchen zu machen? Es ist sinnvoll, sich mit der eigenen Erwartung auseinanderzusetzen. Sie zeigt: Auch du hast Angst. In diesem Fall vielleicht davor, dass dein Kind nicht schnell genug selbstständig wird. Du kannst dir bewusst machen, dass fast alle Kinder irgendwann selbstständig werden. Oft werden sie sogar schneller flügge, als Eltern lieb ist.

Zeit geben:

Egal, ob das Kind zur Tagesmutter soll oder eine Übernachtung bei Freunden ansteht: Um sich mit einer fremden Situation vertraut zu machen, braucht ein Kind vor allem eines: Zeit. So kann es sich dem neuen Terrain im eigenen Tempo nähern.

Bilderbücher lesen

Zum ersten Mal zum Zahnarzt oder in die Kita? Angst im Dunkeln? Bilderbücher helfen Kindern, sich mit neuen Situationen vertraut zu machen – wie zum Beispiel die Bobo Siebenschläfer-Reihen und die Conny-Bücher.

Verständnis für Ängste haben:

Das Kind hat zu viel Angst? Bewertungen wie «Du bist zu ängstlich» oder Aufforderungen wie «Sei doch nicht so ängstlich» helfen nicht weiter – sie entmutigen, statt zu ermutigen. Kinder haben ein Recht auf ihre Gefühle! «Manchmal hilft es Kindern, wenn sie hören, dass Erwachsene in gewissen Situationen ebenfalls Angst haben oder hatten», sagt Anja Meier. «Zum Beispiel, dass sich die Eltern, als sie klein waren, nicht trauten allein in den Keller zu gehen.“

Angst zeichnen lassen:

Angst vor Monstern, Einbrechern, Feuer oder Gespenstern? Beim Malen kann sich das Kind mit seinen Ängsten auseinandersetzen. Besonders hilfreich ist es, wenn das Kind bereits Strategien gegen die Bedrohung in das Bild hineinmalt.

Anlauf- und Beratungsstellen: Hier gibt es Hilfe und Infos

  • Der oder die Kinderärzt:in ist die erste Adresse, um über auffällige Ängste des Kindes zu sprechen.
  • Hier findest du weitere Adressen zur Familienberatung.
  • Fachleute in Sachen Schulprobleme und Prüfungsangst sind die Mitarbeiter der Schulpsychologischen Beratungsstellen (www.schulpsychologie.ch ).

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