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Trennung mit Kindern: Was für Väter auf dem Spiel steht

Für Väter steht die Beziehung zu den Kindern auf dem Spiel, sobald sie bei einer Trennung die Koffer packen und aus dem gemeinsamen Zuhause ausziehen. Was Väter tun können, um weiter mit den Kindern verbunden zu sein, weiss Andrea Micus, Autorin des Buches «Väter ohne Kinder».

Eine Trennung mit Kindern ist für alle Beteiligten belastend.

Eine Trennung mit Kindern ist für alle Beteiligten belastend. Foto: eelnosiva, iStock, Thinkstock

Frau Micus, nach einer Trennung mit Kindern verlieren Väter oft den Kontakt zu ihrem Nachwuchs. Gibt es dazu Zahlen?

Konkrete Zahlen gibt es nicht, aber es sind Millionen Väter aller sozialen Schichten und Altersstufen im deutschsprachigem Raum betroffen. Die Rede ist hier nicht von Vätern, die kein Interesse an ihren Kindern haben und sich nach einer Trennung oder Scheidung um den Unterhalt drücken, vielmehr geht es um die unfreiwillig Kinderlosen. Sie möchten nichts lieber als ihren Kindern Vorbild sein und ihnen Rat geben. Sie möchten schützen und unterstützen, da sein und teilnehmen können. Doch sie werden nicht gefragt, um nichts gebeten. Sie spielen keine Rolle im Leben ihrer Kinder.

Warum sind vor allem Väter, nicht Mütter, von solchen Kontaktabbrüchen betroffen?

Nach einer Trennung bleiben nach wie vor die meisten Kinder bei ihren Müttern. Die Väter packen ihre Koffer und räumen das Zuhause. Ihre Kinder, mit denen sie bislang zeitlich und räumlich eng verbunden waren, sehen sie jetzt nur noch zu bestimmten festgelegten Zeiten. Das ist eine Situation, die viele Trennungsväter schwer belastet und ängstigt, denn sie fürchten, allein schon dadurch die bislang innige Beziehung zu ihren Kindern zu verlieren.

Wie kommt es dazu, dass das Band zwischen Vätern und Kindern reisst?

Meist gibt es kein besonderes Ereignis als zwingenden Auslöser für den Kontaktabbruch. Es sind viele unterschiedliche Einflussfaktoren, die wechselseitig verschränkt in einem komplexen Zusammenspiel dazu führen, dass sich Väter und Kinder nicht mehr sehen. Dabei gibt es auch nicht den einen «Schuldigen», «die böse Mutter» oder «den gleichgültigen Vater», sondern es gibt Verstrickungen, die zu individuellen Dramen führen und an deren Ende sich Väter im Abseits wieder finden. Eine Trennung mit Kindern wirbelt Emotionen auf und stösst Abläufe an. Der Rest entwickelt sich quasi von selbst.

Spielt die veränderte Wohnsituation eine Rolle?

Sicher. Sie geht oft mit grosser räumlicher Distanz einher. Mütter und Kinder ziehen zum Beispiel nach einer Trennung um, weil sie einen neuen Job brauchen, um die Existenz zu sichern. Oder sie ziehen in die Nähe der Eltern, um mehr Unterstützung zu finden. Für Väter ist es häufig zeitlich und finanziell aufwändig, den regelmässigen Kontakt zu Kindern zu pflegen. Noch entscheidender für den Vater-Kind-Bruch aber ist mangelnde Kooperation der Mütter, die bewusst oder unbewusst versuchen, das Zusammensein von Vater und Kind einzuschränken.

Sie meinen, viele Mütter wollen nicht, dass sich der Vater um die Kinder kümmert?

Eine Trennung vom Partner bringt Verletzungen, Trauer, Wut und Kränkungen mit sich. Hinter dem Paar liegt eine Zeit voller gegenseitiger Abwertungen, Streit in Endlosschleifen, Sarkasmus und Demütigungen. Man braucht Abstand und zwingt ihn leider schon aus Gründen des vermeintlichen Selbstschutzes auch seinem Kind auf. Man will den Ex-Partner nicht sehen. Man mutet einer Frau viel zu, wenn sich der Mann wegen einer neuen Liebe von ihr getrennt hat und dann gut gelaunt in der Tür steht, um die Kinder zum Wochenende abzuholen …

Aber die Kinder leiden unter dem Verlust des Vaters …

Wie sich der Verlust des Vaters auf die Psyche der Kinder auswirkt, ist individuell verschieden und hängt vom Alter, der seelischen Verfassung des Kindes und der Persönlichkeit der Mutter ab. Natürlich ist das Ideal eine Beziehung zu Mutter und Vater. Kinder wollen geliebt werden – von der Mutter und dem Vater. Zwei Menschen zu haben, von denen man zutiefst geliebt wird, schafft Sicherheit. Väter sind für den Schutz da, machen mutig und selbstbewusst und prägen das Rollenverständnis der Kinder. Für Jungen ist der Vater das erklärte Leitbild. Für Mädchen ist der Vater der erste Mann, zu dem es eine enge Beziehung hat. Ohne Vater reagieren Jungen verunsichert, suchen sich andere Helden, manchmal die falschen. Mädchen haben häufiger Partnerschaftsprobleme.

Wie gehen Väter mit dem Kontaktabbruch um?

Sie reden nicht gern darüber. Wenn jemand nach ihren Kindern fragt, drehen sie sich weg und bekommen feuchte Augen. Viele lügen: «Mein Sohn macht gerade Abitur. Er möchte dann Jura studieren» oder «Meine Tochter ist eine talentierte Tennisspielerin. Sie hat gerade ein Turnier gewonnen», erzählen sie mit einer scheinbar beiläufigen Selbstverständlichkeit. Niemand soll wissen, dass sie diese Information von Nachbarn oder Bekannten oder gar aus der Lokalzeitung haben und schon seit Jahren kein Wort mehr mit ihren Kindern gewechselt haben. Einige aber haben sich organisiert. Sie kämpfen dagegen, sich mit der unfreiwilligen Kinderlosigkeit abzufinden.

Wie können Väter um ihre Kinder kämpfen?

Idealerweise sollten sie versuchen, sich mit der Mutter zu einigen. Leider ist das häufig nicht möglich, weil es zu unangenehmen Verstrickungen gekommen und ein faires Miteinander nicht mehr möglich ist. Dann sind Mediatoren hilfreich, die beide Elternteile wieder ins Gespräch bringen können. Wenn das nicht fruchtet, können sich Betroffene an Väter-Organisationen wie den Züricher Trennungs- und Scheidungsberatungsstelle mannschafft oder die Schweizer Organisation Vaterverbot wenden, bei denen sie wichtige rechtliche Tipps erhalten und die sie durch Gesprächskreise stärken. Erst wenn alle Wege in eine Sackgasse führen, sollten sie ein Gericht bemühen. Die Verfahren sind häufig langwierig und belasten Eltern und noch mehr die Kinder.

Sinnvoll ist es, wenn Väter sich von vornherein bemühen, es erst gar nicht zum Kontaktabbruch kommen zu lassen. Denn verlorene gemeinsame Jahre lassen sich nicht nachholen, und eine Beziehung, die sich nicht in der Kindheit entwickelt hat, lässt sich nicht nachträglich aufbauen. Was raten Sie Vätern, die sich in einer Trennung mit Kindern befinden?

Psychologen empfehlen gern, die Paarebene von der Elternebene zu trennen. Das ist aber leichter gesagt, als getan. Eltern in Trennung sind psychisch aufgeheizt. Sie drehen sich in destruktiven Kreisen. Es geht ihnen nicht mehr darum, eine Lösung zu finden, sondern nur noch darum, zu gewinnen. Empfehlenswert ist eine gemeinsame Elternberatung, um Entfremdung und Kontaktabbruch schon im Frühstadium zu vermeiden. Das Wohl der Kinder muss im Mittelpunkt stehen. Ich rate Vätern, offen zu ihrer Situation zu stehen, darüber mit Dritten zu sprechen und sich Hilfe in der eigenen Familie zu suchen. Darüber hinaus ist der Kontakt zu anderen Betroffenen hilfreich. Allein die Gewissheit, dass man nicht allein ist in so einer schlimmen Lebenskrise steckt, hilft. Betroffene Väter sollten sich auch nicht scheuen, therapeutische Hilfe anzunehmen.

Andrea Micus

Zur Person:

Andrea Micus, freiberufliche Journalistin und Buchautorin, hat sich die Themenschwerpunkte‚ Erziehung und Familie‘ sowie ‚Familie und Partnerschaft‘ spezialisiert. Im Kösel-Verlag erschien nun ihr Buch «Väter ohne Kinder. Was für Männer nach einer Trennung auf dem Spiel steht.»

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