Zwei in einem: Kangatraining für Mama und Kind
Nach der Geburt möchten viele Mütter wieder Zeit für Sport finden – doch wohin mit dem Kind? Beim Kanga, der neuen Trainingsform für Mamas, ist kein Babysitter nötig. Die Kleinen sind in einer Traghilfe umgeschnallt und so bei allen Übungen mit dabei. Wir haben eine Kangastunde in Bern besucht und sind begeistert.
Glucksendes Babylachen und das Klingeln der Spielzeuge erfüllen den Trainingsraum in der Längass in Bern, wo zehn Mamas gleich ihr Sportprogramm absolvieren werden. Denn beim Kangatraining purzeln die Schwangerschaftspfunde und das Baby darf dabei sogar mitmachen! «Es ist super; man kann das Kind mitnehmen und hat damit gleich die Hantel dabei. Bei anderen Trainingsformen kann man das Kind höchstens abgeben, aber nie mit dabei haben», schwärmt Kangamama Michaela.
Diese süsse kleine «Babyhantel» kommt dann auch gleich beim Aufwärmen zum Einsatz. Vorsichtig werden die Babys immer wieder hoch und zur Seite gehoben – die kleinen Hanteln kichern und haben Spass, während die Mütter das Gewicht ihres Sprösslings zu Spüren bekommen.
Was ist Kanga?
Kangatraining ist ein von Ärzten und Hebammen empfohlenes Workout für Mütter nach der Geburt. Es wurde 2008 von der Österreicherin Nicole Pascher entwickelt. Die langjährige Tänzerin und Personal Trainerin hat das Training nach ihrer Lieblingsfigur aus Winnie the Pooh – dem Känguru Kanga - benannt. Im Gegensatz zu anderen Rückbildungstrainings kann das Kind beim Kanga mit dabei sein. Es wird in einer Traghilfe umgeschnallt und ist so nahe bei der Mutter, während diese Übungen für das Herz-Kreislauf-System, den Muskelaufbau und den Beckenboden absolviert. Die schaukelnden Bewegungen wirken beruhigend auf das Baby, so dass es nicht selten einfach das Training verschläft. Zusätzlich zu dem angebotenen 8-Wochen-Kurs sollten die Kangamamas zwei Mal pro Woche mit einer DVD Zuhause trainieren.
Weitere Infos und Kursangebote finden Sie unter www.kangatraining.ch
Beim Aufwärmen gibt es viele Übungen, bei denen die Kleinen mit einbezogen werden könnten. Doch die meisten krabbeln herum, bieten einander den Nuggi an und fragen sich, was Mama da Komisches macht. Das stört aber überhaupt niemanden, denn die Stimmung ist wunderbar entspannt. «Kinder können hier einfach Kinder sein, und es macht nichts, wenn eines weint», erklärt Kangamama Sara. Und auch Irène von Atzigen, die Leiterin des Kurses, betont: «Das Baby ist der Mittelpunkt!» Wenn die Kleinen nicht mitmachen wollen, können sie auf die Spieldecke in der Ecke gehen. Dort könnten auch grössere Geschwister spielen und somit auch ins Training mitgenommen werden.
Tragen ist nicht gleich tragen
Nach dem Aufwärmen geht es ab in die Traghilfen: Die Kleinen werden je nach Alter vorne über die Brust oder hinten auf den Rücken geschnallt. Von ganz kleinen Babys bis zu 14 Monate alten Kleinkindern ist alles dabei. «Solange sie das Getragen werden noch mögen und die Kangamamas sie noch heben können, sind alle willkommen», erklärt Irène von Atzigen. Es sei aber besonders wichtig, dass die Kinder richtig getragen werden. Daher erhält jede Gruppe zu Beginn des Kurses Unterstützung und Tipps von einer Trageberaterin. «Denn wenn das Baby nicht richtig getragen wird, kriegt es die Bewegungen des Trainings zu hart ab», wie die Trageberaterin Sandra Zurflüh erklärt.
Doch auch die Mutter muss geschont werden und darf ihren Körper nicht überstrapazieren. Frühestens sechs bis zehn Wochen nach der Geburt und erst nachdem sie den Postnatalen Check Up beim Frauenarzt bestanden hat, darf sie beim Training mitmachen. Dann erst ist der Rückbildungsprozess so weit fortgeschritten, dass man mit sanften Übungen einsteigen kann. Kanga passt sich diesem Prozess mit drei verschiedenen Stufen an. Je nach persönlicher Fitness und Zustand nach der Geburt kann somit auf individuellem Niveau trainiert werden.
Mamma Mia: Schwitzen zu Abba-Hits und Cha-Cha-Cha
Und los geht’s! Beschwingt erklärt die Leiterin die jeweiligen Stufen, zeigt die Übungen vor und geht durch die Reihen um Tipps zu geben. Dabei hört man immer wieder ein «Atmen nicht vergessen!» Zu fetziger Latino-Musik und Abba-Hits wird geschwitzt und trainiert. Nach einem Ausdauerteil folgen Übungen für die Beine, Cha-Cha-Cha Tanzschritte für die Koordination und zum Schluss wird der Beckenboden schonend gestärkt. Das Workout sei anstrengend und bringe viel, darin sind sich alle Kangamamas einig. Auch die Babys fühlen sich wohl in den Traghilfen. Die ganz Kleinen nicken ein, während die Grösseren mitmachen, Spass haben und einander kennenlernen. «Er kann mit anderen Kindern zusammen sein und ist im Tragi ganz nahe bei mir, da kann man eigentlich nichts falsch machen», so die Kangamama Sabrina über ihren elfmonatigen Sohn Gian.
Mamas unter sich: Babys verbinden
Auch nach dem Schwitzen ist die Stimmung locker und gemütlich. Die Mütter passen gegenseitig auf die Kleinen auf, während sich die anderen umziehen oder duschen. Aus dem Trainingsraum wird ein Ort des Wickelns, Stillens und der Plauderei. «Der Austausch mit den anderen Müttern ist besonders schön, denn meistens haben ja alle dieselben Sorgen und Probleme», findet Kangamama Stefanie. Auch für Irène von Atzigen ist das Soziale und das Miteinander das Schönste beim Kanga: «Es entstehen hier wunderbare Freundschaften».
Selten kommt eine Kangamama nur einmal in ein 8-Wochen-Training. Die meisten belegen mehrere Kurse und kommen solange, bis das Kind zu gross ist. Man sieht – wer einmal mit dem Kanga angefangen hat, ist und bleibt begeistert.
Irène von Atzigen
Irène von Atzigen ist dreifache Mutter und begeisterte Kangatrainerin. «Ich habe selber lange etwas gesucht, da ich mein Kind beim Sport nicht abgeben, sondern dabei haben wollte», erklärt sie. Mit dem Kangatraining war sie sicher, das Richtige gefunden zu haben. Ihre eigenen Kinder sind nun aber schon zu gross, und so zeigt sie die Übungen mit ihrer Puppe Lisa vor. Seit zwei Jahren unterrichtet Irène von Atzigen nun schon Kanga und war damit die erste Leiterin in der Schweiz. Ein Kurs bei ihr kostet 175 Franken inklusive DVD.