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Philosophieren mit Kindern über die grossen Fragen des Lebens

Warum leben wir? Und warum sterben wir? Was wäre, wenn wir nicht sterben würden? Wie wurde Gott erschaffen? Solche Überlegungen gehören zu den ganz grossen Fragen des Lebens. Wenn Kinder über solche Fragen philosophieren, kommen oft überraschende Antworten.

Mit Kindern philosophieren
Mit Kindern zu philosophieren erweitert den Horizont - auch jenen der Eltern. Bild: svetikd, E+, Getty Images Plus

Es gibt Fragen, die haben die Menschen schon immer bewegt. Woher kommen wir? Und wohin gehen wir? Wie sollten wir leben? Auch Kinder stellen solch philosophische und elementare Fragen. «Wo war ich, bevor ich in deinem Bauch war, Mama?», «Wenn Opa nicht mehr da ist, wo ist er dann?» Solche Überlegungen aufzugreifen und sich Zeit für das Philosophieren mit Kindern zu nehmen, bedeutet, Kinder ernst zu nehmen und ihr Wissen teilen zu lassen. 

«Philosophieren heisst, beharrlich im Dialog zu stehen über ‹Dinge, die wir (noch) nicht verstehen›», erklärt Eva Zoller Morf, Leiterin der Schweizerischen Dokumentationsstelle für Kinder- und Alltagsphilosophie «Käuzli». Dies gehe über den blossen Gedankenaustausch zwischen Menschen hinaus, der gemeinhin «Diskussion» genannt werde.

«Denn in der Philosophie beschäftigt man sich nicht nur mit Bekanntem, sondern auch mit neuen Ansichten, und man versucht, aus den unterschiedlichen Meinungen der GesprächspartnerInnen einen gemeinsamen Erkenntnisfortschritt zu erreichen.»

Philosophieren mit Kindern macht schlau

«Was ist gut – und was ist böse?», «Ist jemand, der etwas Böses tut, ein böser Mensch?», «Was denkt ein Hund?»: Kinder stellen viele Fragen zu den verschiedensten Themen und stellen damit die Erwachsenen, die eine Antwort liefern sollen, nicht selten vor Herausforderungen.

Denn während Werte wie gut und böse sein einfacher zu erklären sind, gehören sie doch zu unserem Alltag und man hat sich im Laufe der Jahre eine (eigene) Definition dazu zurechtgelegt. Philosophische Fragen wie woher wir kommen oder warum wir genau in Europa und nicht in Afrika geboren wurden, sind schwieriger zu beantworten.

Kinder wollen die verwirrende Welt verstehen können, um sich in ihr sicher und geborgen zu fühlen. «Gut ist das ‹Philosophieren› (wenn es denn diesen Namen verdienen sollte) schon ganz einfach deshalb, weil es einem elementaren Bedürfnis entspricht, das wir alle als Kinder noch kannten: das Bedürfnis nach Orientierung in einer für Kinder als ‹LebensanfängerInnen› noch täglich neuen Welt», schreibt Philosophie-Pädagogin Eva Zoller Morf auf den Seiten ihrer Schweizerischen Dokumentationsstelle für Kinder- und Alltagsphilosophie.

«Selber denken macht schlau» heisst denn auch eines ihrer Bücher. Denn beim Philosophieren lernen Kinder auch, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, einander zuzuhören und mit ihrem Wissen zu argumentieren.

Philosophieren mit Kindern erweitert Blickwinkel

Elementare Kinderfragen reissen Erwachsene aus ihrer Komfortzone heraus. Längst haben sie sich damit abgefunden, dass es Fragen gibt, die sich nicht eindeutig mit menschlichem Wissen oder Logik beantworten lassen.

Doch es lohnt sich, sich vom Staunen der Kleinen anstecken zu lassen und Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen. Warum eigentlich müssen Menschen sterben? Und wie wäre es, wenn Menschen nicht sterben würden? So erweitert philosophische Gespräche mit Kindern den Horizont – nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen.

Philosophieren mit Kindern: Grundtechniken

Durch gemeinsames Philosophieren lernen Eltern nicht nur, was das Kind über das eigene Leben denkt, sondern auch, welche Bedeutung verschiedene Tatsachen wie der Tod und die Geburt für sie haben. Doch philosophische Gespräche sind nicht gleich mit Erkenntnis verbunden. Dafür müssen beide Gesprächsteilnehmer lernen, ein Verständnis für das kreative Denken des jeweils anderen aufzubauen. Eva Zoller Morf beschreibt die Grundtechniken des Philosophierens so:

  • beharrlich an der gewählten Frage bleiben und sie von vielen Seiten beleuchten
  • Selbstverständliches nochmals mit neuen Augen ansehen und sich fragen: Ist es wirklich so, wie ich es bisher gesehen oder verstanden habe? Dazu gehöre, dass man fragt, hinterfragt und weiterfragt.
  • Meinungen aller Beteiligten anhören und nach Gründen suchen, die die Ansichten stützen oder aber auch in Frage stellen könnten
  • immer wieder die Wörter und Begriffe, die man benutzt, klären: Wer versteht eigentlich genau was unter einem bestimmten Ausdruck?

«Nicht zuletzt spielt die Phantasie eine wichtige Rolle, denn wer nur nachdenkt über bereits Gedachtes, wird kaum je zu den VordenkerInnen gezählt werden können», schreibt Zoller Morf auf ihrer Webseite.

Altersgerechte Philosophie für Kinder

Schon mit den ganz Kleinen lässt sich philosophieren. Viele Fragen ergeben sich aus Bilderbüchern. Der Igel hat dem hungrigen Storch gesagt, der Frosch sei links herum gegangen, obwohl er sich rechts im Schilf versteckt hat. Er hat also gelogen. Lügen darf man doch nicht – oder etwa doch? Was meint das Kind dazu? Über viele Antworten lohnt es sich, nachzudenken. Sicher kennt das Kind manche Situationen, in denen auch Erwachsene es mit der Wahrheit nicht ganz genau nehmen.

Je jünger Kinder sind, umso wichtiger ist es, ihre Sicht der Welt zunächst einmal so stehen zu lassen, um sie nicht zu verunsichern, auch wenn diese Sicht keineswegs der Logik entspricht. Aha, Kinder sind bei ihren Schutzengeln, bevor sie in Mamas Bauch gelandet sind, und Opa wartet mit einer Spielesammlung auf seine Lieben im Himmel.

Statt Kinder zu belehren, gilt es, ihnen zuzuhören, sich das Gesagte durch den Kopf gehen zu lassen, vielleicht auch weiter zu führen. Erst mit Schulkindern lässt sich ein Thema differenzierter beleuchten, sodass auch andere Aspekte und Bedeutungen angeführt werden können. Kinder sind dann alt genug zum Philosophieren, wenn sie mit Freude in das Gespräch mit anderen Menschen einsteigen und Spass daran finden, über philosophische Themen nachzudenken. 

Mit Kindern philosophieren: Alltag steckt voller Fragen

Themen, bei denen man die grossen Fragen des Lebens stellen kann, müssen zwangsläufig nicht aus Büchern stammen. Auch der Alltag bietet ausreichend Situationen, in denen man sich bereits als Kind ethisch auseinandersetzen muss und möglicherweise auch die Bedeutung des Lebens hinterfragt. 

Gab es Streit auf dem Spielplatz, ergibt sich die Frage nach Gerechtigkeit bereits bei kleinen Kindern von selbst. Ist es gerecht, wenn alle das Gleiche bekommen? Oder verdienen manche Menschen doch mehr als andere? Im Park lässt sich überlegen, ob der schöne Stein am Wegesrand lebt. Woran lässt sich erkennen, ob etwas lebendig ist oder nicht?

Buchtipps

Anhaltspunkte und Tipps, wie man mit Kindern philosophieren kann, finden sich auch in vielen Büchern:

«Selber denken macht schlau. Philosophieren mit Kindern», Eva Zoller Morf, Zytglogge Verlag.
Klug gewählte Beispiele und alltagstaugliche Anleitungen zeigen, wie Eltern das Selberdenken ihrer Kinder fördern können. 

«Denk dir die Welt. Philosophie für Kinder», Birgit Labbé und Michel Puech, Loewe Verlag.
Das Buch enthält interessante Denkanstösse über Themen wie «gut und böse», «Glück und Unglück», «Leben und Tod» oder «frei und unfrei», ohne fertige Antworten zu liefern.

«Mit Kindern philosophieren», Gerhard Friedrich, Viola Galgóczy und Cornelia Klein, Beltz Verlag.
Kleine Geschichten werfen Fragen auf, die unterschiedliche Menschen ebenso unterschiedlich beantworten. Zitate, Spielideen, Lieder und Basteltipps zum Thema lockern das Buch auf.

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