Long Covid bei Kindern: Wenn Kinder nach der Corona-Infektion weiter leiden
Wenn man die täglichen Corona-Infektionszahlen anschaut, sind Kinder und Jugendliche die derzeit am stärksten betroffene Altersgruppe. Bei vielen Kindern verläuft eine Covid-Erkrankung zwar meist milde. Doch nach der Genesung besteht das Risiko, das Long Covid-Syndrom zu entwickeln. Zurzeit geht man davon aus, dass drei bis sieben Prozent, der an Corona erkrankten Kinder anhaltende Folgesymptome entwickeln. Symptome, die den Alltag und die Lebensqualität der Betroffenen massiv einschränken. Dieses Risiko können und dürfen wir nicht eingehen, fordern Arbeitsgruppen wie «Kinder schützen - jetzt!» Wieso Kinder besser geschützt werden sollten.
Long Covid bei Kindern: Das Wichtigste in Kürze
- Von Long-Covid spricht man wenn Betroffene auch nach zwei Monaten nach einer Corona-Infektion noch an Folgesymptome leiden. Das Virus ist zwar nicht mehr nachweisbar, der Körper und seine Organe werden aber immer noch beansprucht. Mehr zur Definition.
- Long Covid trifft auch Kinder: Die häufigsten Symptome bei Kindern sind Erschöpfung, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen. Betroffene Kinder kommen zum Beispiel in der Schule nicht mehr nach oder haben keine Energie mehr zum Spielen. So äussert sich Long Covid bei Kindern.
- Schweizer Experten rechnen damit, dass drei Prozent der erkrankten Kinder und Jugendliche Long-Covid entwickeln, andere Studien gehen von bis zu sieben Prozent aus. Lesen Sie weiter.
- Verschiedene Gruppierungen fordern konsequentere Massnahmen, um die Kinder zu schützen. Sie appellieren an Bund und Kantone, Kinder nicht einfach zu durchseuchen, wie es derzeit geschehe. Mehr erfahren.
- Wie ist das, wenn das eigene Kind nach der Corona-Infektion kaum wiederzuerkennen ist? Eine Mutter erzählt.
Seit fast zwei Jahren hält Covid-19 die Welt in Atem. Wir lernen das Virus immer besser kennen: Mittlerweile ist bekannt, dass das Virus besonders für ältere Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen und auch Schwangere gefährlich ist. Zum Glück gibt es die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs mit der Covid-Impfung stark zu senken. In der Schweiz können sich aktuell alle ab 12 Jahren impfen lassen. Die Zulassung für jüngere Kinder ist beantragt. Zurzeit sind Kinder unter 12 Jahren aber auf andere Schutzmassnahmen wie Masken, Luftfilter oder Social Distancing angewiesen.
Wenig Schutz für Kinder – grosses Risiko für Long Covid?
Lange hiess es, dass Kinder nicht oder nur mild am Coronavirus erkranken. Immer häufiger kommt nun aber das Thema Long Covid zur Sprache. Das Syndrom kann sich nach einer Infektion mit dem Coronavirus entwickeln – auch wenn während der Covid-Erkrankung nur milde oder gar keine Symptome auftreten. Long Covid kann auch Kinder betreffen.
Viele Eltern beunruhigt dies - denn in vielen Schulen und Kindergärten gibt es keine oder nur wenige Schutzmassnahmen und die Schulen sind in der Schweiz derzeit Haupttreiber der Pandemie.
Diese Gruppierungen fordern mehr Schutz für Kinder
Die Arbeitsgruppe Kinder schützen – jetzt! fordert Kantone und Bund zum Handeln auf: Bis zur Zulassung eines Impfstoffes für alle schulpflichtigen Kinder oder solange nötig sollen endlich schweizweit und flächendeckend präventive, wissenschaftsbasierte Massnahmen angeordnet und durchgesetzt werden, so der Appell der parteiunabhängigen Arbeitsgruppe.
Mit ihren Forderungen steht die Arbeitsgruppe nicht alleine da. Unter dem Namen #ProtectTheKids hat sich eine weitere Interessensgruppe formiert, die sich für den mehr Schutz von Kindern in Schulen und Betreuungseinrichtungen stark macht. Unter anderem mit einer Petition.
Definition: Was ist Long Covid?
Von Long Covid spricht man, wenn nach einer SARS-CoV-2 anhaltende Folgesymptome auftreten. Betroffene haben sich Monate nach einer Erkrankung noch immer nicht erholt und haben teilweise Mühe, ihrem gewohnten Alltag nachzukommen: Sie erleben durch die Symptome Einschränkungen im Arbeits- und Familienalltag. Die Infektion ist zwar überstanden, das Virus lässt sich nicht mehr nachweisen, doch der Körper und seine Organe bleiben weiterhin in Mitleidenschaft gezogen. Dies kann auch Kinder und Jugendliche betreffen.
Durch Post Covid werden Lebensqualität und Perspektiven von vielen jungen Menschen massiv eingeschränkt.
Edith Leibundgut, Mitglied der Arbeitsgruppe Kinder schützen – jetzt!
Hilfestellungen und Infos finden Sie auf der Seite von Long Covid Schweiz. Der Verein wurde von Betroffenen gegründet, um die Anerkennung von Long Covid als Krankheitsbild, die Erforschung von klinischen Behandlungen und die Unterstützung von Betroffenen voranzutreiben.
Symptome: Wie erkennt man Long Covid bei Kindern?
Die Symptome von Long Covid sind vielfältig. Zu den meist genannten gehören:
- übermässige Müdigkeit und Erschöpfung
- kognitive Störungen wie Konzentrationsschwierigkeiten,
- Muskelschmerzen
- Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn.
Auffallend ist in den meisten Fällen die übermässige Erschöpfung. Betroffene Kinder kommen zum Beispiel in der Schule kaum mehr nach, haben keine Energie mehr für Hausaufgaben, Hobbys oder sogar zum Spielen.
Kopfschmerzen als Symptom von Long-Covid bei Kindern?
Edith Leibundgut, Mitglied der Arbeitsgruppe Kinder schützen – jetzt! , weiss: Auch bei Kindern äussert sich Long Covid vor allem in anhaltender Erschöpfung, Störungen von Konzentration, Gedächtnis und Aufmerksamkeit sowie wiederkehrendem Fieber und Schüttelfrost. Ein weiteres Symptom sind häufige Kopfschmerzen. «Es können zudem Atemnot, Husten, Brustschmerzen, Gelenks- und Muskelschmerzen, Ausschläge, Herzklopfen, Schlafstörungen und weitere Symptome auftreten», so Leibundgut. Andauernde Lungenbeschwerden, welche viele Erwachsene Long Covid- Betroffene erleben, seien bei Kindern jedoch eher selten.
Erst wenige Studien zu Long Covid bei Kindern
Zu Long Covid existieren bisher wenige Studien. Zu Long Covid bei Kindern gibt es somit auch nur wenig Bekanntes. Wie hoch das Risiko für Kinder ist, nach einer Ansteckung mit Covid-19 ein Long Covid-Syndrom zu entwickeln, ist zurzeit unklar. «Die Forschung steht noch am Anfang», sagt Leibundgut von Kinder schützen – jetzt!. Und da Long-Covid ein eher neues Krankheitsbild ist, gibt es weder für Erwachsene noch Kinder bewährte Therapien. «Methoden müssen zuerst erprobt und evaluiert werden, bis hier gültige Aussagen gemacht werden können», erklärt die Pädagogin und Dozentin für Public Health Themen.
Statistik: So viele Kinder erkranken an Long Covid
Wie erwähnt, ist nicht klar, wie viele Kinder nach der Infektion ein Long Covid Syndrom entwickeln. Laut Edith Leibundgut rechnen Schweizer Experten damit, dass drei Prozent der erkrankten Kinder und Jugendliche Long-Covid entwickeln werden. «Von etwa 1,2 Millionen Kindern und Jugendlichen in der Schweiz könnten also bis zu 36'000 Kinder und Jugendliche an Long Covid erkranken», sagt Leibundgut.
Es könnten bis zu 36'000 Kinder und Jugendliche an Long Covid erkranken.
Edith Leibundgut, Mitglied der Arbeitsgruppe Kinder schützen – jetzt!
Forscher in England gehen jedoch von anderen Zahlen aus: Die Statistik zeigt dort, dass rund sieben Prozent der erkrankten Kinder unter Long Covid litten. Kanadische Studien gehen von sechs Prozent aus. Ob drei oder sieben Prozent – für Leibundgut und ihre Kollegen ist klar: Ohne konsequente Schutzmassnahmen werden in der Schweiz viele Kinder und Jugendliche langfristig an Symptomen leiden. Eine Durchseuchung, wie sie aktuell an Schulen und in Betreuungseinrichtungen geschehe, müsse deshalb unbedingt verhindert werden. «Durch Post Covid werden Lebensqualität und Perspektiven von vielen jungen Menschen massiv eingeschränkt – das können wir nicht zulassen!»
Long Covid bei Kindern unter 12 weniger verbreitet?
Nach ersten Erkenntnissen geht man zurzeit davon aus, dass Kinder und Jugendliche über zehn Jahren ein höheres Risiko zu haben scheinen an Long Covid zu erkranken. Jüngere Kinder, also Kinder unter zehn Jahren, waren weniger betroffen – oder aber die Beschwerden wurden nicht erkannt oder vom Kind ausgedrückt.
PIMS und Long Covid haben nichts miteinander zu tun
Oft wird Long-Covid im selben Atemzug wie PIMS genannt oder sogar mit PIMS verwechselt. Aber: «Long Covid und PIMS sind zwei unterschiedliche Erkrankungen», erklärt Leibundgut. «PIMS ist eine akute und schwerwiegende Entzündungsreaktion des Körpers, welche einen Spitalaufenthalt notwendig macht.» Vor allem in der zweiten Corona-Welle stellten die Kinder-Intensivstationen in der Schweiz eine Zunahme an PIMS-Fällen fest.
Symptome von PIMS beinhalten:
- hohes Fieber
- Bauchschmerzen
- Erbrechen
- Durchfall
- Hautausschläge
Im Gegensatz zu PIMS sind die Symptome von Long-Covid milder und erfordern meist keine sofortige medizinische Hilfe.
Corona und Long Covid: Mehr Schutz für Kinder gefordert
Die Covid-Massnahmen an Schulen, Kindergärten und Kitas sind umstritten. Einigen gehen die Schutzmassnahmen zu weit und meinen, dass Kinder unter Massnahmen, wie eine Maske zu tragen, leiden würden. Andere wünschen sich strengere Regeln. Argumente, dass eine Maskenpflicht Kindern schaden würde, wurden mittlerweile widerlegt. Masken seien aber nicht die einzige Option, Kinder vor einer Corona Infektion und somit auch vor Long Covid zu schützen.
Edith Leibundgut setzt sich mit Kinder schützen – jetzt! für eine ganze Reihe stärkerer Schutzmassnahmen für Kinder ein. «Kinder haben monatelang zugunsten Erwachsener auf vieles verzichtet, es kann und darf nicht sein, dass wir sie jetzt einfach so dem Virus und möglichen Folgeerkrankungen aussetzen», erklärt sie. Die Arbeitsgruppe Kinder schützen – jetzt! und auch #ProtectTheKids fordern darum einen Mix von Schutzmassnahmen an Schulen, Kindergärten und in Kitas, welcher mindestens repetitives Testen, Masken bei auftretenden Infektionen, CO2-Messgeräte und Luftfilter beinhalten.
«Seit der Erkrankung ist mein Sohn ein anderes Kind»
Corona sei für Kinder nicht schlimm, heisst es in der Schweiz oft. Eine leichte Erkältung und gut ist. Dass auch Kinder von Langzeitfolgen wie zum Beispiel Long Covid betroffen sind, hört man selten. Bis man selbst betroffen ist. Deborah erzählt wie es ist, wenn das eigene Kind plötzlich ein Schatten seiner selbst ist und einem niemand sagen kann, ob und wann es dem Kind jemals wieder so richtig gut geht. Zum Artikel.