Schwangerschaft > Geburt

Was Sie in den letzten Wochen vor der Geburt tatsächlich machen sollten

In den letzten Wochen der Schwangerschaft scheint die Zeit stillzustehen. So sehr Sie sich jetzt die Geburt herbeiwünschen: Nur eine geburtsbereite Gebärmutter sorgt für die nötigen Wehen. Hebamme Nicole Widmer erklärt, warum es genau darum wichtig ist, sich aus dem Arbeitsalltag herauszunehmen, warum ein Geburtsvorbereitungskurs nicht nötig ist und wieso Sie niemandem den errechneten Termin verraten sollten. 

Wann kommt das Baby? Schwangere Frau schaut besorgt auf eine grosse Uhr
Jeden Tag könnte es soweit sein... Die letzten Wochen vor der Geburt sind eine wahre Geduldsprobe. Bild:  nicoletaionescu, GettyImages Plus

Der Bauch ist riesig, der Alltag immer beschwerlicher, Schlafen ist alles andere als erholsam... langsam könnte dieses Baby doch nun echt mal kommen! Die letzten vier Wochen vor der Geburt sind oft zäh wie Kaugummi. Die Zeit geht kaum voran. Jedes Ziehen wird registriert, gedeutet, gegooglet, alles könnte auf die bevorstehende Geburt hindeuten. Und am nächsten Morgen wacht man auf... und es ist immer noch kein Baby da.

Wann die Geburt stattfindet, ist eines der grossen Geheimnisse einer Schwangerschaft. Die wenigsten Babys kommen am errechneten Geburtstermin zur Welt. Und wenn kein Kaiserschnitt oder Einleitungstermin festgelegt ist, dann kann niemand voraussagen, wann der grosse Tag ist. Sicher - es gibt ein paar unsichere Geburtsbeginnzeichen wie den Verlust des Schleimpfropfes oder Senkwehen oder das Senken des Bauches. Aber nicht jede Frau hat sie und keines der Symptome sagt aus, wann die Eröffnungswehen beginnen. Zum Beispiel kann es nach dem Schleimpfropfabgang noch gut zwei Wochen dauern bis das Baby sich auf dem Weg macht.

Behalten Sie den Geburtstermin für sich

Aus diesem Grund rate ich schwangeren Paaren immer, den errechneten Geburtstermin für sich zu behalten. Es reicht völlig aus, dem Umfeld mitzuteilen, dass es wohl Mitte April soweit so. Oder am besten setzen Sie noch zwei Wochen drauf! Als Hebamme finde ich, es sorgt nur für Stress, wenn die Bald-Mama jeden Morgen 10 Nachrichten erhält mit der Frage, ob nun das Baby schon auf der Welt sei.

Die letzten Wochen sollten Schwangere nämlich herunterfahren. Abgesehen davon, dass die Natur das sehr clever gemacht hat, dass man gegen Ende der Schwangerschaft sowieso sehr langsam wird, ist es auch Zeit, sich mental auf die kommende Elternschaft einzustellen. In der kommenden Zeit wird nämlich alles auch nur sehr, sehr langsam vorwärts gehen, in kleinen Babyschritten sozusagen.

Pflege für die Seele: Warum Me-Time jetzt so wichtig ist

Mein Ratschlag ist, die letzten vier Wochen noch zu geniessen. Ja, dass kann man zwar fast nicht mehr hören am Schluss, aber es ist wirklich so. Als Hebamme wünsche ich mir, dass die Schwangerschaft in Ihrem Alltag Platz bekommt. Kommen Sie raus aus dem Arbeits-Hamsterrad und rein in die Langsamkeit, die es als Eltern einfach braucht. Ich empfehle allen Frauen, ab der 37. Woche nicht mehr zu arbeiten. So geben Sie dem bevorstehenden Ereignis den Platz und die Zeit, die es braucht.

Ausserdem würde ich eine Bucketlist erstellen. Darauf könnte zum Beispiel stehen: Ungestört die Nägel machen, einen Mittagsschlaf einlegen, stundenlang Fernseh schauen, ein langer Spaziergang an der frischen Luft, ein gutes Buch... Nehmen Sie sich Zeit, um einfach nochmals etwas Me-Time zu geniessen. Auch eine schöne Idee finde ich: Einen Brief an den Partner schreiben, diesen aufbewahren und erst weitergeben, wenn das Baby schon einige Wochen oder Monate auf der Welt ist.

Auch der Körper braucht jetzt Liebe

Aber nicht nur mental sollten Sie sich pflegen und hegen in den letzten Wochen vor der Geburt. Geben Sie auch Ihrem Körper etwas Liebe und Pflege! Ölen Sie Ihren Bauch ein, besorgen Sie sich Stützstrümpfe, trinken Sie einen feinen Schwangeschaftstee oder nehmen Sie vor dem Schlafen ein beruhigendes Lavendelbad. 

Sie lassen sich bereits von einer Hebamme begleiten? Super! Fragen Sie sie um Rat gegen Beschwerden wie Sodbrennen oder Wassereinlagerungen. Die Hebamme hat - anders als viele Gynäkologen - Zeit für Sie und kennt oft gute Tipps und Tricks gegen Schwangerschaftsbeschwerden.

Gebären geht auch ohne Vorbereitungskurs

Ich verspreche, wenn Sie gut für Körper, Seele und Geist sorgen, dann gehen Sie auch gut vorbereitet in die Geburt. Einen Geburtsvorbereitungskurs braucht es meiner Meinung nach nicht zwingend. Sie können auch prima gebären, ohne einen solchen besucht zu haben. Auch Atmen können Sie ja seit vielen Jahren wunderbar selbstständig. Und wenn Sie doch einen Kurs besuchen wollen, empfehle ich Ihnen einen Kurs, in dem es um mehr als nur um das Gebären geht, sondern auch um Ihre Rolle, die sich ändern wird, um das Zusammenleben als Paar und die künftigen Herausforderungen im Alltag.

Was ich fast wichtiger finde, als den Geburtsvorbereitungskurs, ist übrigens ein Notfhelferkurs für Kinder. Das Rote Kreuz bietet solche an - auch online!  Und wer gerne liest, kann sich auch wunderbar mit Büchern von Ingeborg Stadelmann, Ina May Gaskin oder Nicola Schmid auf das grosse Ereignis vorbereiten! 

Und trotz all den Ratschlägen und Tipps gibt trotzdem der Körper vor, wann es soweit ist. Nur eine «geburtsbereite» Gebärmutter macht wirklich Wehen. Deshalb: Machen Sie sich nicht verrückt, gönnen Sie sich Zeit und Ruhe und lassen Sie die Hormone arbeiten. Und bei aller Ungeduld denken Sie immer daran: Bald haben Sie es geschafft! Es ist noch kein Baby drin geblieben.

Nicole Widmer

Nicole Widmer ist ausgebildete Hebamme und Pflegefachfrau mit Schwerpunkt Kind, Jugend, Frau und Familie. Sie hat seit 2015 im Spital im stationären Wochenbett und auf einer Pränatalabteilung gearbeitet und freiberuflich. Im Frühling 2020 hat sie sich ganz selbstständig gemacht. Als Hebamme unterstützt sie Familien mit vollem Einsatz und mit viel Herz. Denn die 35-Jährige ist eine Macherin und Optimistin. Ausserdem liebt sie Nutella und Listen. Und natürlich ihre Familie!

Mehr zum Angebot und weitere Artikel von Nicole Widmer.

Neueste Artikel

Beliebte Artikel